Der Herrenanzug ist ein Mysterium. Er verändert den Tragenden so sehr, dass sich viele Männer wohl ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen können.
Diese Phänomen habe ich selbst erlebt. Auf einer Tanzveranstaltung in Augsburg, auf der man laut Flyer overdressed erscheinen sollte, tauschte ich verstohlen ein paar Blicke mit einem charismatischen Typen aus. Natürlich habe ich mich nicht mit ihm unterhalten, sondern mich darauf beschränkt, ihn aus der Ferne gut zu finden.
Ein paar Wochen später verlasse ich gerade eine Kneipe, als mich jemand anspricht. Sein Name sei Anton und wir hätten uns auf einer Veranstaltung schon mal gesehen. Ich konnte mich nicht an ihn erinnern, wünschte ihm einen schönen Abend und fuhr nach Hause, grübelnd, wer er wohl sein mochte.
Die Lösung kam zu spät, ich war schon zu Hause. Er war der charismatische Mensch auf der Tanzveranstaltung. Er trug einen locker sitzenden, beigen Anzug und darunter ein enges, weißes T-shirt. Dass einen der Wechsel in Jeans und Hosenträger so verändern kann. Das muss wohl ein ähnliches Phänomen wie das der Uniformen in den 50ern sein.
Könnte man sich ein Rat Pack in Jeans vorstellen? Was Wären 40er Jahre Spionagefilme ohne den obligatorischen Nadelstreifenanzug? Bin ich denn wirklich so oberflächlich, dass mich die Garderobe ohne Mensch darin verführen könnte? Dabei möchte ich gern die ganze Welt in etwas zu tief sitzende Jeans und t-shirt stecken. Vielleicht noch ein Hut oder ein Cap dazu und schon hat diese Kombi auf mich dieselbe Wirkung, wie auf manch anderen ein Dreiteiler.
Vielleicht verhält es sich mit Anzügen ähnlich wie mit Absatzschuhen. Man bewegt sich anders darin. Sobald man selbst ein neues Körpergefühl entwickelt, entwickelt das Umfeld einen anderen Blick für dich. Ich glaube, ich werde ab sofort versuchen, mir mein Gegenüber in meiner Lieblingsgarderobe vorzustellen. Mal sehen, ob die Welt dadurch charismatischer wird.
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